Halle (Saale), 15. September 2023 „Mehr als 240 Anmeldungen aus dem In- und Ausland und die große Nachfrage machen deutlich, dass wir mit dem Thema ostdeutsche Kunst am Puls der Zeit sind. Dabei bewegt mich vor allem das wachsende Interesse junger Menschen an diesem Thema“, so Ludger Weskamp, Vorsitzender des Vorstands der Ostdeutschen Sparkassenstiftung. „Ein Weg zum Verständnis der Menschen in Ostdeutschland und ihrer Geschichte führt über ostdeutsche Kunst. Hier gibt es noch viel zu entdecken und zu erforschen. Die Ostdeutsche Sparkassenstiftung wird daher Projekte und Veranstaltungen in diesem Bereich weiter fördern.“
Der ostdeutschen Kunst und ihrer Wahrnehmung von 1945 bis heute widmete sich am 14./15.09.2023 die Tagung „Ostdeutsche Kunst: Bestandsaufnahme und Perspektiven“ in der Leopoldina und dem Kunstmuseum Moritzburg in Halle (Saale). Bei der von der Ostdeutschen Sparkassenstiftung initiierten Tagung, die in Kooperation mit dem Dresdner Institut für Kulturstudien und dem Kunstmuseum Moritzburg in Halle (Saale) stattfand, wagten fachlich ausgewiesene Vertreterinnen und Vertreter aus den Bereichen Wissenschaft, Museen, Kunst, Politik und Gesellschaft einen Blick in die Zukunft der ostdeutschen Kunst – inklusive einer Bestandsaufnahme und möglicher Perspektiven.
„Der Umgang mit der Kunst, die zwischen 1949 und 1990 in Ostdeutschland entstand, wurde nach 1990 nahezu ausschließlich von polarisierenden Auseinandersetzungen bestimmt, wozu auch der sogenannte ‚deutsch-deutsche Bilderstreit‘ gehörte. Mittlerweile ist jedoch zu konstatieren, dass sich die erhitzte Debatte um die Akzeptanz ostdeutscher Kunst erfreulicherweise versachlicht hat. Nun kommt es darauf an“, so Paul Kaiser, Direktor des Dresdner Instituts für Kulturstudien, „das Thema der ostdeutschen Kunst in einem überregionalen Kontext perspektivisch neu auszurichten.“
Erste Erfolge sind bereits spürbar: Ostdeutsche Fotografie, Malerei, Grafik und Skulptur wird in Kultur, Politik und Gesellschaft verstärkt wahrgenommen und positiv belegt. Dabei richtet sich das Interesse inzwischen auch auf die seit 1989/1990 bis heute entstandenen Werke. Die Tagung bot eine öffentliche Plattform für einen fundierten und sachlichen Austausch – und war zeitgleich der größte öffentliche Diskurs der vergangenen 25 Jahre zum Thema. In elf Vorträgen und vier Diskussionsrunden mit Beiträgen fachlich ausgewiesener Vertreterinnen und Vertreter aus den Bereichen Wissenschaft, Museen, Kunst, Politik und Gesellschaft wurde das Themenfeld vielfältig erörtert. Unter anderem sprachen Prof. Dr. April Eisman, Kunsthistorikerin an der Iowa State University in den USA, Rainer Robra, Chef der Staatskanzlei und Minister für Kultur des Landes Sachsen-Anhalt, Dr. Ramona Dornbusch, Landeskonservatorin Mecklenburg-Vorpommern, Prof. Dr. Wolfgang Ullrich, Kunsthistoriker und Publizist aus Leipzig und Thomas Bauer-Friedrich, Direktor des Kunstmuseums Moritzburg in Halle (Saale).
Letzterer zeigte sich mit den Impulsen der Veranstaltung höchst zufrieden: „Die Tagung hat konstruktiv den Blick zurück nach vorn geöffnet und neben Positionsbestimmungen Fragen nach Begrifflichkeiten, Kanon und Betrachtungsperspektiven gestellt. Definitive Antworten können in einem solchen Rahmen nicht gefunden werden, doch haben die große Teilnehmerresonanz und die Diskussionen auf einem angenehm sachlichen Niveau gezeigt, dass die Tagung zur richtigen Zeit stattfand – mit neuen Impulsen und einem Türöffner zu einer neuen Qualität der Auseinandersetzung mit der Kunst aus dem Osten Deutschlands“, so Bauer-Friedrich.
Indem ostdeutsche Kunstwerke in all ihren Facetten ausgestellt und öffentlich gezeigt werden, soll die Vielfalt der DDR jenseits von Vorurteilen gespiegelt werden. Die vortragenden Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker forderten einhellig von Bund und Ländern Ankaufsbudgets für ostdeutsche Kunst aus den Jahren 1945 bis 1990 zur Verfügung zu stellen, um historisch begründete Lücken im Sammlungsbestand zu füllen. Einen Appell richteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ebenso an die Kunstmuseen Ostdeutschlands: Sie mögen sich zusammenschließen und gemeinsam das Ziel verfolgen, ostdeutsche Kunst auf Augenhöhe zu präsentieren. Die Kunstgeschichte der vergangenen Jahrzehnte seit der Wiedervereinigung Deutschlands sei jetzt zu korrigieren. Museen in den neuen Bundesländern sollten daher verstärkt mit ihren – teilweise noch nicht öffentlich gezeigten Beständen – arbeiten.
„Uns geht es darum, einen Anstoß zu einem sachbezogenen Diskurs zu geben, der die Herausforderungen des Struktur- und Generationenwandels in Ostdeutschland in realistischer Weise mit einbezieht“, erklärt Patricia Werner, Geschäftsführerin der Ostdeutschen Sparkassenstiftung. „Neben der bewährten Förderung von Projekten wollen wir mit dieser Konferenz der ostdeutschen Kunst insgesamt mehr Sichtbarkeit in einem größeren, gesamtdeutschen Kontext geben und mit unserem Engagement dabei unterstützen, bestehende Vorurteile zu überwinden.“
Mit dieser Ausrichtung auf einen „Blick nach vorn“ wird im Ergebnis der Tagung ein wesentlicher Beitrag zur aktuellen Diskussion um Wege und Zielmarken der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbauprozesse in Ostdeutschland geleistet. Als Tagungsort wurde bewusst Halle (Saale) gewählt; hier wird auch das Zukunftszentrums für Deutsche Einheit und Europäische Transformation entstehen.
Eine Dokumentation der Tagung erscheint voraussichtlich im Juni 2024.