Beeskow, 19.06.2024. „Wessen ostdeutsche Kunst ist das?“ fragte die amerikanische Kunsthistorikerin April Eisman bereits 2017. Um diese Frage in einem größeren Kontext zum wissenschaftlichen Umgang mit der Kunst aus Ostdeutschland ab 1945 bis heute erörtern zu können, veranstalteten Prof. Dr. Sylvia Claus (Brandenburg University of Technology Cottbus-Senftenberg), Prof. April Eisman (Iowa State University/Transatlantic Institute for East German Art – TIEGA) und Dr. Angelika Weißbach (Museum Utopie und Alltag / Kunstarchiv Beeskow) vom 19. bis 22. Juni 2024 gemeinsam mit der Ostdeutschen Sparkassenstiftung ihre die erste Sommerakademie.
„Die Geschichte der ostdeutschen Kunst auf den Zeitraum von gerade einmal 40 Jahren DDR zu reduzieren, bedeutet diese Kunst zu marginalisieren und ihre aktuelle Relevanz gerade für die Gegenwart nicht zu begreifen. Auf der Sommerakademie werden wir daher nicht nur fragen, was ostdeutsche Kunst eigentlich ist, sondern auch, welche historische und gesellschaftliche Bedeutung sie etwa für die gegenwärtige Ost-West-Debatte hat und wie wir ihre künstlerischen Qualitäten erfassen können“, erklärte Prof. Dr. Sylvia Claus.
Eingeladen waren Nachwuchswissenschaftlerinnen Nachwuchswissenschaftler sowie Kuratorinnen und Kuratoren auf dem Gebiet der ostdeutschen Kunst. Insgesamt nahmen zwölf Personen teil. Tiefgehende Auseinandersetzungen mit originalen Kunstwerken waren dadurch genauso möglich wie intensive Diskussionen zum verwendeten Vokabular oder das Hinterfragen von Stereotypen. Dabei sollten weniger die politischen Strukturen im Vordergrund stehen, sondern vielmehr eine differenziertere Auseinandersetzung mit der Kunst und den Künstlerinnen und Künstlern in der DDR.
„Nach der erfolgreichen Tagung Ostdeutsche Kunst: Bestandsaufnahme und Perspektiven, die gemeinsam mit dem Kunstmuseum Moritzburg in Halle (Saale) und dem Dresdner Institut für Kulturstudien im September 2023 durchgeführt haben, freuen wir uns, beim Aufbau eines Netzwerkes mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Generationen unterstützen zu können. Uns geht es dabei nicht nur um einzelne Projektförderungen, sondern darum, ostdeutsche Kunst bundesweit und international zu stärken und mit dazu beizutragen, mögliche Vorurteile abzubauen“, so Patricia Werner, Geschäftsführerin der Ostdeutschen Sparkassenstiftung.
Die erste Station war Beeskow, wo der amerikanische Germanist und Filmwissenschaftler Prof. Dr. Stephen Brockmann in einem Abendvortrag anlässlich seiner neuesten Publikation über 1990 und die „letzte DDR“ eine Außenperspektive auf das Thema vorstellte. Danach bot das Kunstarchiv Beeskow mit seinem speziellen, in der DDR öffentlich erworbenen Bestand an Malerei, Grafik und Skulptur zahlreiche Anknüpfungspunkte für Bildanalysen und Kontextualisierung. Über Eisenhüttenstadt, wo Alltagskultur sowie Architektur und Städtebau in der DDR beispielhaft zu erleben sind, zog die Sommerakademie weiter nach Cottbus. Hier waren durch die wichtige Kooperation mit dem Brandenburgischen Landesmuseum für Moderne Kunst tiefe Einblicke in eine klassische Kunstsammlung möglich, deren Entstehungsgeschichte sich stark von der in Beeskow unterscheidet. Auf einer Abschlussdiskussion in der Cottbuser Universität wurden schließlich Ergebnisse und Ideen für die Zukunft formuliert.
Dazu April Eisman: „Mit der Sommerakademie für ostdeutsche Kunst wollen wir sowohl etablierte als auch junge ExpertInnen zusammenbringen, um die Herausforderungen zu diskutieren, die uns bei der Forschung und der Schreiben über Kunst aus der DDR begleiten. Wir möchten außerdem ein Netzwerk aufbauen, das WissenschaftlerInnen unterstützen kann, insbesondere diejenigen, die gerade erst am Anfang stehen, und um Ressourcen zu schaffen, auch Schülerinnen, Schülern, Studentinnen und Studenten etwas über Kunst aus der DDR zu vermitteln.“
Angelika Weißbach ergänzte: „Ein wichtiges Instrument der Sommerakademie wird die konkrete Beschreibung von Kunstwerken sein. Wir wollen uns den Objekten mit den Methoden der Kunstgeschichte nähern, indem wir zuerst genau hinschauen und danach die politischen und sozialgeschichtlichen Aspekte hinzuziehen. Wir freuen uns sehr auf diesen intensiven Austausch mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Generationen, deren Forschungsthemen breit gefächert sind.“
Ein zentrales Ziel der Sommerakademie war, eine Grundlage für zukünftige Forschung zu schaffen und gleichzeitig ein Netzwerk von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aufzubauen, das dazu beitragen soll, der Isolation entgegenzuwirken, der sich viele Doktorandinnen, Doktoranden, Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler aufgrund der Marginalisierung des Themas innerhalb des Universitätssystems gegenübersehen.