Potsdam, 28.09.2023. Das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam präsentiert vom 29. September 2023 bis 24. März 2024 die Sonderausstellung „Ich würde sofort wieder in die Kohle gehen…“ – Christina Glanz. Fotografien einer Transformation. In ihrer bislang umfassendsten Einzelausstellung thematisiert die Fotografin Christina Glanz (*1946) mit teilweise noch nie gezeigten Porträts von Arbeiterinnen und Arbeitern des einstigen DDR-Braunkohlenwerks Lauchhammer das Ende der fossilen Energiegewinnung in einer Zeit der radikalen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Transformation in der Niederlausitz.
Die Ausstellung wird gezeigt im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) in Potsdam vom 20. September 2023 bis 24. März 2024.
Katja Melzer, Geschäftsführerin der Brandenburgischen Gesellschaft für Kultur und Geschichte gGmbH, hebt hervor: „Wir freuen uns sehr, mit der Unterstützung der Ostdeutschen Sparkassenstiftung die künstlerisch und kulturhistorisch bedeutenden Arbeiten von Christina Glanz erstmals in diesem Umfang einer großen Öffentlichkeit sowohl als Ausstellung als auch in Form einer Publikation präsentieren zu können. In Glanz‘ eindrücklichen Porträts erhalten abstrakte Begriffe wie ‚Transformation‘ und ‚Strukturwandel‘ im wahrsten Sinne des Wortes ein Gesicht. Sie verdeutlichen die enormen Umbrüche der 1990er Jahre während sie gleichzeitig auf die Veränderungen der heutigen Zeit verweisen.“
Die Ausstellung wird begleitet von einer gleichnamigen deutsch-englischen Publikation, die im Hatje Cantz Verlag erscheint, und einem umfangreichen Rahmenprogramm im HBPG und auch in Lauchhammer/Niederlausitz.
Die Ausstellung und die Publikation werden gefördert durch die Ostdeutsche Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Mittelbrandenburgischen Sparkasse, denn ein Schwerpunkt ihrer Fördertätigkeit liegt im Bereich der Ostdeutschen Kunst, insbesondere der Fotografie.
Bereits 2004 unterstützte die Ostdeutsche Sparkassenstiftung die Künstlerin mit der Herausgabe eines Kataloges in der Reihe Signifikante Signaturen.
Die Ausstellung
Kohlewerkerinnen und Kohlewerker in Lauchhammer (Niederlausitz) am 28. Januar 1993, kurz nachdem sie ihre Kündigung erhalten haben; Gruppenfotos der Arbeitsbrigaden in der letzten Schicht 1992–1994; Porträtfotos von Kohlearbeiterinnen und Kohlearbeitern, Kraftwerkerinnen und Kraftwerkern; Leerstellen, wo einst gewaltige Maschinen standen oder Jugendliche 1984 bei der vormilitärischen Ausbildung in der DDR und in Lauchhammer Anfang der 2000er Jahre: Christina Glanz zeigt in über 90 Fotografien eine sensible, an den Menschen orientierte Topographie von Umbrüchen in der Niederlausitz.
Bis Anfang der 1990er Jahre versorgten die Kohle- und Brikettwerke in Lauchhammer einen erheblichen Teil der DDR mit Energie.
Parallel zur Auflösung der DDR ging die hundertjährige Tradition der Braunkohlenveredlung in Lauchhammer abrupt zu Ende. Die Werksanlagen wurden geschlossen und bis 1994 abgerissen. Die Brikettfabriken wurden von denselben Arbeiterinnen und Arbeitern abgebaut, die Jahrzehnte dort gearbeitet und ihre Existenzgrundlage mit der Schließung verloren hatten. 2001 entstanden auf dem Gelände der ehemaligen Brikettwerke neue Fabrikhallen für Rotorblätter von Windanlagen. Nach deren Schließung im Jahr 2022 übernahm ein chinesischer Batteriehersteller für E-Autos das Areal. Von der Kohle über Windkraft bis zur Elektromobilität: Brandenburg ist als Energiestandort im ständigen Wandel.
Christina Glanz hat in ihren fotografischen Serien einzelne Momente eingefangen, die in Nahaufnahmen die ganze Bandbreite der Umbrüche aufzeigen.
Mit Sensibilität und dem Vertrauen, das sie während ihrer langen Aufenthalte in den Werken, in der Kantine, am Kaffeetisch mit den Arbeiterinnen und Arbeitern über die Jahre aufbaute, hat sie Aufnahmen von zeitloser Relevanz geschaffen. Ihr kristalliner Umgang mit der Wirkung der Fotografie gewährt einzigartige Einblicke in den Transformationsprozess: die Vielschichtigkeit und die Ambivalenz in der Auseinandersetzung mit Arbeit, Identität, Macht, Ökologie und Gesellschaft. Glanz` Fotografien zeigen Höhen und Tiefen im Umgang mit elementaren gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Umbrüchen und sind heute aktueller denn je.
Christina Glanz
ist 1946 im Eichsfeld/Thüringen geboren. Sie studierte Architektur an der TU Dresden und an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Ab 1973 arbeitete sie im staatlichen Büro für Städtebau in Berlin, dort in der Planungsgruppe für den Stadtteil Marzahn. 1976 begann sie zu fotografieren und trat 1979 eine Aspirantur in Architektur/Fotografie an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee an. 1982 wurde sie in den Verband Bildender Künstler der DDR (VBK) aufgenommen und arbeitet seither als freischaffende Fotografin. Sie lebt und arbeitet in Oranienburg.
Das Begleitprogramm zur Ausstellung im HBPG bietet Lesungen, Ferien-Workshops, Podiumsdiskussionen, ein Filmprogramm und mehrere Dialogführungen „Der Dritte Blick“ mit unterschiedlichen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern. Den Auftakt machen zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2023, um 11:30 Uhr, die Fotografinnen Christina Glanz und Anne Heinlein (Potsdam). Beide haben mit der Kamera Frauen in ihren jeweiligen Berufen porträtiert: Kohlewerkerinnen, Polizistinnen, Feuerwehrfrauen, Soldatinnen oder Benediktinerinnen. Sie führen gemeinsam durch die Ausstellung und kommen dabei miteinander ins Gespräch.
In Lauchammer finden Workshops mit dort lebenden Jugendlichen zu den Fotografien von Christina Glanz statt. Außerdem wird es einen Nachmittag der Begegnung von Jugendlichen mit den ehemaligen „Kohlefrauen“ geben, bei dem gemeinsam gekocht, gegessen und erzählt wird.